Marktplatz

Es war mein zweites Jahr als Mentorin.
Von meinem Platz auf der Bühne, sah ich die vielen jungen Menschen,
die darauf warteten, dass das Schrecken wieder seinen Lauf nahm.
Mein Blick ging durch die Masse, doch von hier konnte ich eh nicht sagen, wer nun, wieder die Glücklichen waren, die das Kapitol auserkoren hatte.
Der Bürgermeister saß schon an seinem Platz, der Betreuer für das Distrikt stand schon bereit, um die übliche Rede anzufangen.
Ich saß an dem mir zu gewiesen Platz, wartete darauf mir die beiden Tributen ansehen zu können und zu entscheiden, ob sie nicht vielleicht eine Chance hatten, doch die Chance an sich war immer gering. Damals hatte ich nur Glück gehabt, auch ohne Mentor.
Bald würde es wieder soweit sein und ich war wieder im Kapitol, weit weg von meinem kleinen Sonnenschein, die jetzt mit meinen Eltern ganz hinten in der Zuschauermenge stand, dieses Mal mussten sie nicht bangen, nicht um mich und nicht um meine Schwester.

Name des Charakters: Glücksfee von D9
Eigentliche Charakter: Ally Rojas

Nachdem alle Einwohner von Distrikt 9 sich auf dem Marktplatz versammelt hatten konnte es endlich losgehen. Die ganze Zeit schon stöckelte ich in meinen zu hohen Schuhen über die Bühne. Ein breites, weißes Lächeln umspielte meine hellblauen Lippen. Nachdem der Bürgermeister seine Rede gehalten hatte und der kleine Film aus dem fernen Kapitol abgespielt wurde, ging ich langsam zum Mikrofon, dass in der Mitte der Bühne aufgestellt war. Meine perfekt lackierten Fingernägel – Babyblau mit vereinzelnden Glitzersteinchen – trommelten leicht auf dem Mikro und ich richtete alle Aufmerksamkeit auf mich.
„Meine Damen und Herren, liebe Kinder von Distrikt 9.“ flötete ich. „Dieses Jahr finden die 73. Hungerspiele statt. Und ich wette, dieses Jahr wird ein weiteres spannendes Spiel stattfinden." Strahlend sah ich in die Menge, die allerdings mein strahlen nicht erwiderte. Doch das war mir egal. „Und nun, kommen wir zum wichtigsten Teil. Die Ziehung der Tribute.“ Bei den letzten Worten hob ich meinen Arm schwungvoll und ging hinüber zu der Mädchenkugel. Die große Glaskugel enthielt viele ordentlich zusammen gefaltete Zettel. Ich steckte meine Hand in die Kugel vermischte alles noch einmal und zog sorgfältig den Zelter  für den weiblichen Tribut heraus. Dann verlas ich klar und deutlich den Namen: „Chai-Lynn Abercringe“ Ein raunen ging durch die Menge. „Komm rauf Schätzchen.“
Nachdem das tapfere Mädchen auf die Bühne gekommen war, tippelte ich hinüber zu der Jungenkugel. Der gleiche Ablauf, dann kam der Name: „Kanonenfutter“ Auch ihn holte ich auf die Bühne. Ich fragte nach Freiwilligen, doch es meldete sich niemand. Dann gaben sich beide die Hände und wurden ins Justizgebäude gescheucht.

Ich sah mir die beiden Tribute an, doch der erste Eindruck sagte gar nichts über sie aus.
Ich wusste es vom letzten Jahr besser und auch mein eigenes Jahr hatte es gezeigt.
Wie es wohl grade bei Gwen lief?, fragte ich mich zögerlich.
Doch weitere Gedanken verlor ich erstmals nicht an die Mentorin.
Mit langsamen Schritten verließ ich die Tribüne und ging zu Marie, die am Rande des Platzes wartete.
"Diesmal komme ich wieder, diesmal passiert mir nichts. Wenn du willst bring ich dir etwas Schönes aus dem Kapitol mit", sagte ich und lächelte sie an.
Welch tapferes kleines Mädchen, dachte ich lächelnd.
Doch sobald ich zurück war, würde ich sie trainieren, denn ich konnte sie nicht dem Zufall überlassen, nicht meine Schwester.

Ich wartete am Rand des Platzes auf Yuna. Sie verliess gerade die Tribüne und kam auf mich zu. "Diesmal komme ich wieder, diesmal passiert mir nichts. Wenn du willst bring ich dir etwas Schönes aus dem Kapitol mit" sagte sie und lächelte mich an. Ich lächelte zurück. "Ich will nichts aus dem Kapitol. Hauptsache du kommst wieder heil zurück", sagte ich und drückte sie an mich, "Komm ganz bald zurück, okay?", sagte ich, obwohl ich wusste, dass sie keinen Einfluss darauf hatte. Ich würde sie schrecklich vermissen.

"Ich werde wieder kommen, wenn die Tribute es hinter sich haben", meinte ich lächelnd und strich sanft über den Kopf.
Ich würde sicher etwas im Kapitol für sie finden und sollte es nur ein Kleid für ihre erste Ernte sein.
"Hör auf Mum", flüsterte ich ihr zu.
Dann ging ich, ehe einer der Friedenswächter kam und mich noch zum Auto begleitete.
Zusammen mit der Betreuerin des Distrikts fuhren wir zum Zug.

tbc:...