Zug von Distrikt 12

Von einem Trupp Friedenswächtern Umringt, die mir Näher waren, als mir lieb war, wurde ich zum Auto eskortiert. Eigentlich waren sie überflüssig. Wohin sollte ich auch fliehen? Doch sie gingen immer lieber auf Nummer sicher. Wirkte auch einschüchternder. Ich lehnte meine Stirn an das kühle Glas der Autoscheibe und sah die Landschaft vorbeirauschen. War das der letzte Blick, den ich auf meinen Distrikt werfen konnte? Lieber nicht drüber nachdenken.
Am Bahnhof stieg ich aus dem Auto und versuchte, ein möglichst überzeugendes Lächeln aufzusetzen. Es gelang mir nicht ganz, aber immerhin sah ich nicht ängstlich oder eingeschüchtert aus, eher etwas grimmig.
Schnell ging ich auf den Zug zu und schlüpfte durch die Tür ins innere. Bevor der Zug losfur drehte ich mich ein letztes mal um und Winkte.

Ich wurde nach den Ziehungen von Friedenswächtern zum Zug begleitet.  Es war schon rutine für mich.  Winken, lächeln,  rein. Schon seit Jahren. Winken, lächeln,  rein.
Ich winkte also den Leuten aus meinem Distrikt zu,  die Hoffnung hatten, dass wieder jemand nach Hause kommen würde.  Ich hoffte es aus tiefstem Herzen, doch mein Verstand stritt sich gerade mit meinem Herzen. Du wirst doch eh wieder alleine zurück ins Distrikt kommen. Es hat noch keiner geschafft,  Lia! versuchte mich mein eigener Verstand zu manipulieren. Ich lief durch den Gang in die Abteilung,  die als Aufenthaltsraum benutzt wurde. Dort war bereits die weibliche Trubitin. Ich setzte ein leichtes Lächeln auf. "Hey" sagte ich und ließ mich in eines der Sessel fallen.

Mit einem vorsichtigem und etwas zurückhaltendem Lächeln sah mich die Tributin an. sie stellte sich vor und mein lächeln wurde etwas wärmer und ungezwungener. "Ja, dass bin ich. Ich bin Ophelia. Siegerin der 70. Hungerspiele" sagte ich. Und bitte nicht Blutdurst.. dachte ich mir im Kopf, schob den Gedanken aber beiseite. 
Ich sah sie etwas genauer an. Ein wirklich hübsches Mädchen. Aber ob sie auch überleben kann geschweige denn jemanden töten?
"Hast du irgendwelche Fragen wegen den Spielen? Du kannst mich ruhig ausfragen" meinte ich. Ich hätte auch gerne etwas über die Spiele gewusst, als ich vor ein paar Jahren hier saß. "Wie alt bist du eigentlich?" fragte ich sie dann.

"Kann ich verstehen. Du hast noch viel Zeit. Aber wir müssen schon ein Image für dich Ausdenken. Die Sponsoren sollen ja aufmerksam auf dich werden und du sollst den Leuten in Erinnerung bleiben, wenn du erst mal in der Arena bist." sagte ich auf ihre Worte. "Fragen sind immer gut. Stelle sie einfach, egal wie blöd sie dir scheinen. Es kann dein Überleben sein." fügte ich dann hinzu.
Sie verreit mir dann ihr Alter. 15. Genau so alt war ich damals auch.. Und ich dachte ich würde meinen sechszehnten nicht erleben. Jetzt bin ich schon 18. "Ich war damals auch 15.. Also brauchst du keine Angst haben, dass es an deinem Alter scheitern könnte.." sagte ich, um sie ein wenig zu beruhigen. Wenn sie so war wie ich damals, war sie sicherlich gerade total aufgeregt und verwirrt. "Ok, hast du irgendwelche Fähigkeiten, die dir in der Arena nützlich ein können?" fragte ich sie. Immerhin brauchte ich ein Bild von ihr, um ihr Helfen zu können.

Irgendwie mochte ich meine Mentorin. Sie konnte verstehen, wie ich mich fühlte, weil sie es schon einmal erlebt hatte. Und sie war genauso jung gewesen wie ich, als sie gewonnen hatte. Es war also möglich, selbst wenn man noch so jung war. ich wusste nicht, ob es gut war, zu erwähnen, dass ich im Wald Jagen ging, der Zug war garantiert Kameraüberwacht. Ich wusste nicht, ob es meiner Familie schaden würde. "Ich kann gut mit Pfeil und Bogen umgehen", sagte ich einfach, "ich kann relativ schnell rennen und klettern. Ausserdem hat mir meine Mutter einiges über Heilkräuter und essbare Pflanzen beigebracht". Ich überlegte. Was konnte ih noch, was in der Arena von nutzen sein Konnte? "Ach ja, schwimmen kann ich auch noch", fügte ich noch hinzu. Jetzt hatte ich so ziemlich meine ganzen stärken aufgezählt. Mehr hatte ich nicht. Zumindest nicht, was in der Arena nützlich sein konnte.

Alisha zählte so einige Stärken auf und ich zog vor Überraschung eine Augenbraue hoch. "Wow, dass ist wirklich gut!" sagte ich und stand auf. Ich lief zum Tisch rüber und nahm mir eine Wasserflasche. Ich trank einen Schluck und stützte mich am Tisch ab. "Ich finde, du solltest bei den Trainings nicht zeigen, wie talentiert du bist. Lassen wir sie in dem Glauben, du wärst ein kleine, zerbrechliches Mädchen aus dem ärmsten Distrikt. das kommt immer gut." fing ich an zu erzählen und sah während dessen zu Alisha. "Ich glaube, dass du eine sehr gute Chance hast, nach Haue zu kommen. Aber mach dir keine Hoffnungen" sagte ich. Ich hatte noch nie ein so gutes Gefühl bei einem Tributen wie bei Alisha. Aber ich hatte den männlichen Tributen noch nirgends gesehen. "Wo ist denn eigentlich dein Mittribut?" fragte ich sie und sah zur Tür. "Wenn er sich nicht bald blicken lässt fangen wir ohne ihn mit dem Essen an" sagte ich und wandte mich wieder Alisha zu. "Du musst in den Tagen, die wir im Kapitol verbringen, so viel essen wie du nur kannst. Den Luxus hast du in der Arena nicht wieder." gab ich ihr einen weiteren Tipp.

Auch Alisha meinte, dass sie ihren Mittributen noch nicht gesehen hatte. Ich zuckte mit den Schultern. War nicht mein Problem. Alisha meinte, dass ihr meine Strategie gefiel. Ich lächelte. Auch sie hatte Hunger. Ich sah kurz zu Tür, dann wieder zu ihr. "Dann würde ich mal sagen, dass wir ohne ihn anfangen" sagte ich und setzte mich dann. "Schlag zu!" meinte ich nur und lächelte. Das Essen im Kapitol war wirklich wunderbar.

Alisha schien etwas überwältigt von der Anzahl des leckeren Essens. Es war wirklich viel und meiner Meinung auch unverschämt. Viele hungern in unserem Distrikt, und ich wette, dass 3/4 von dem ganzen hier weggeworfen wird. Ich nahm mir einfach ein Brötchen und ebenfalls etwas Salat, bevor ich mich gegenüber von Alisha hinsetzte. Sie sagte die Worte, die ich gerade gedacht hatte und ich nickte. "Da gebe ich dir Recht..." sagte ich und trank einen Schluck. "Hast du schon einen Wunsch, was für ein Image du haben möchtest? Es ist immer gut, wenn du den Kapitolsleuten im Gedächtnis bleibst. Entweder als süße, unschuldiges Mädchen oder eine junge Frau, die nur so vor Selbstsicherheit protzt" sagte ich. Es war wirklich von Vorteil, so hatten mir auch schon so einige Geschenke, die mir mein Mentor verschaffen konnte, mein Leben gerettet.

Alisha erzählte, wie sie gerne rüberkommen würde und ich hörte ihr aufmerksam zu und nickte. "Klingt gut. Ist ja auch wichtig, dass du dich nicht verstellst. Du sollst ja auch du bleiben" sagte ich und legte mir noch ein Brötchen auf den Teller. So wirklich Hunger hatte ich nicht gehabt. Ich trank noch etwas und sah auf die Uhr. "Wir werden nicht mehr lange fahren. Du solltest dich nach dem Essen besser etwas ausruhen, bevor der Medienrummel beginnt.." meinte ich und biss ein Stückchen von meinem Brot ab. Als ich fertig gekaut hatte, sprach ich weiter. "Ich weiß nicht wie du so mit Menschenmengen klarkommst, aber die werden dich quasi umzingeln.." sagte ich und sah kurz zum Fenster.

Ich lächelte. "Ach, mit denen werde ich schon irgendwie fertig. Aber was das Essen angeht: ich hab eh keinen Hunger mehr. Ich bin so viel Essen nicht gewohnt", sagte ich. Mir war inzwischen fast sogar ein bisschen schlecht. Ich schob meinen Teller weg. "Können wir uns vielleicht noch die Wiederholungen der anderen Ernten anschauen? Die würde ich gerne noch sehen", sagte ich und sah Ophelia fragen an. Ich würde mir meine Gegener gerne einmal sehen, bevor ich in Wirklichkeit mit ihnen zusammentraf, damit ich mir schon mal einen Eindruck machen konnte und versuchen, sie anhand ihres Auftritts einzuschätzen.